15.07.2023

Spannend dabei ist, dass diese Anfragen nicht nur von ortsansässigen Personen stammen, sondern zunehmend auch von Kaufinteressenten, die zum Zeitpunkt der Anfrage ausserhalb einer Standortgemeinde wie etwa Vaz/Obervaz, Albula oder Surses wohnen. Manche Interessenten möchten ihren Wohnsitz nachweislich in eine der genannten Gemeinden verlegen, andere aber suchen nach Möglichkeiten, das Zweitwohnungsgesetz zu umgehen.

Es ist sehr wichtig zu wissen, dass laut dem Zweitwohnungsgesetz nur Personen mit Wohnsitz in der Standortgemeinde dort auch eine Erstwohnung bewohnen dürfen – unabhängig davon, ob die Wohnung gemietet oder gekauft ist. Das Problem dieser Regelung ist jedoch, dass die Wohnsitznahme im Rahmen des Kaufprozesses weder von der Gemeinde noch vom Grundbuchamt konsequent überprüft wird. Wer also zum Zeitpunkt der Kaufvertragsunterzeichnung nicht wohnsitzberechtigt ist, kann derzeit vertragsrechtlich trotzdem eine Erstwohnung erwerben.

Infolgedessen erfahren wir vermehrt von findigen Maklern, die potenziellen Käufern fragwürdige Vorschläge unterbreiten. Besonders beliebt ist gegenwärtig die Idee, die Ehefrau ihre Schriften z. B. in Vaz/Obervaz hinterlegen zu lassen, während jene des Mannes z. B. in der Stadt Zürich bleiben.

Wir raten von solchen illegalen Spielchen eindringlich ab. Es mag wohl sein, dass die Standortgemeinden bei der Kontrolle nicht sonderlich verbissen sind. Ich darf Ihnen aber versichern, dass aufmerksame Nachbarn, aber besonders die Steuerverwaltung des Herkunftskantons gründlicher vorgehen. Aufgrund der aktuell sehr hohen Preise sieht die Nachbarschaft nicht gerne kaum bewohnte Erstwohnungen. Uns sind mehrere solcher Fälle bekannt, die der Gemeinde gemeldet wurden.

Ausserdem stellen wir fest, dass die Steuerverwaltungen der Herkunftskantone vermehrt den sogenannten Lebensmittelpunkt von z. B. getrennt lebenden Eheleuten überprüfen. Gerade kürzlich haben wir auch einen solchen Fall in unserer Rolle als Treuhänder begleitet. Wird der Nachweis erbracht, dass der Lebensmittelpunkt nicht die Standortgemeinde ist und damit die Schriften fälschlicherweise in der Gemeinde deponiert sind, folgen weitreichende Konsequenzen.

Das Gesetz ist glasklar: Sofern sich der Wohnsitz nicht in der Standortgemeinde befindet, muss die Erstwohnung an jemanden vermietet werden, dessen Schriften nachweislich in der Standortgemeinde hinterlegt sind. Kann kein entsprechender Mieter gefunden werden, muss die Wohnung an jemanden verkauft werden, der seine Schriften dort hat. Das scheint auf den ersten Blick nicht sonderlich tragisch. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass eine solche «Notsituation» von Hauseigentümern gerade in kleinen Dörfern unter potenziellen Mietern und Käufern rasch die Runde macht. Der Miet- oder Kaufpreis sinkt folglich markant und muss oft unter Zeitdruck angenommen werden, weil die Gemeinde zum Verkauf zwingt, falls die Situation nicht innerhalb zweier Jahre nach Kenntnisnahme bereinigt ist. Dass diese Massnahme zusätzliche negative Folgen für den Preisverlauf mit sich bringt, ist selbstredend. Aus diesen Gründen empfehlen wir ausdrücklich, eine Erstwohnung nur dann zu erwerben, wenn sich der Lebensmittelpunkt tatsächlich mit der Standortgemeinde deckt.

Da in vielen Bereichen des Zweitwohnungsgesetzes noch keine Rechtsprechung erfolgte, werden die verschiedenen Massnahmen von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich praktiziert. Es empfiehlt sich deshalb, diese Rahmenbedingungen vor dem allfälligen Erwerb einer Erstwohnung mit der zuständigen Gemeindebehörde zu klären.

Ihr MJF